In Venezuela angekommen!

14. Februar 2019 / von Farina

Wer sich noch an Marian erinnert weiß, dass ich jetzt bei ihr in guten Händen bin! Gestern hatten wir den GANZEN Tag Plenum, und ich musste feststellen, dass meine Spanischkenntnisse für das hiesige Venezolanisch nur bedingt ausreichen, der Unterschied ist etwa wie zwischen Hochdeutsch und Bayrisch… heute haben wir 150kg Weizenkleie geröstet und abgepackt, das war ein bisschen einfacher!

Ich bin in Palo Verde, Sanare angekommen! Und so sieht sie aus, die Nudel-Kooperative!

Und dann ist es trotz allem und globalem Nomadisieren und digitaler Pseudonähe eine lange, lange Reise, ganz physisch und real gewesen. Nach insgesamt etwa 24 Stunden war ich endlich bei Jorge in Barquisimeto angekommen, war das Insulin und die Ultraschallsonde und diverse Bündel Geld für verschiedene mir unbekannte Personen und für das CICS los und war (physich wie seelisch) erleichtert und einigermaßen erledigt. Nachdem ich vom Flughafen abgeholt worden war, mussten wir zuerst noch einen Companero in Caracas einsammeln, eine unruhige Fahrt durch eine riesige Stadt, in der Wohnsilos neben glitzernden Bürotürmen stehen, Barrios die umgebenden Hügel dicht gepackt überwuchert haben und an den Hauptstraßen chavistische Kunstwerke mit den üblichen erzkapitalistischen Werbeplakaten konkurrieren. Und über allem der Duft von brennendem Müll und den Abgasen alter Autos. Wenn ich Ahnung von Oldtimern hätte, dann hätte ich sicher meine Freude an diesen Karren, so befremdet mich zunächst nur die kreative Fahrweise der Menschen hier: man sieht sich ja, das klappt dann schon, und ach, herrjeh, blinken ist Luxus, und ohne Licht geht es halt auch auf dem Seitenstreifen, sogar in der Dämmerung noch ganz gut.


Die Fahrt von Caracas nach Barquisimeto dauerte nochmal 4-5 Stunden, Zeitgefühl hatte ich in dem Moment keines mehr, hatte ich wohl irgendwo über den Wolken verloren. Nach der tropisch kurzen Dämmerung in rosa-lila-pink waren bald viel zu viele Waldbrände rechts und links der Carretera zu sehen, schwelende Baumstümpfe, rauchende Flecken Erde, vermutlich einfach nur Unachtsamkeit, was sie verursacht hat und die große Trockenheit der letzten Monate. Soweit alles erst mal normal, oder? Oder eben nicht, schon allein weil wir an mehreren Tankstellen vorbei fuhren, die alle geschlossen hatten, Lieferengpässe: Benzin ist grade knapp. Aber immer noch lächerlich teuer, als wir endlich tanken können. Irgendwann bin ich eingeschlafen und völlig durchgeschüttelt und von den durchs offene Fenster eindringenden Abgasen benebelt in Barquisimeto wieder aufgewacht – wahrlich, eine lange, echt physische, echt spürbare Reise.

In der Escuela musste ich am nächsten Morgen gleich furchtbar viele Menschen kennenlernen, deren Namen ich mir natürlich nicht merken konnte. Und sofort waren wir mittendrin in politischen Diskussionen…


Tatsächlich ist es wohl wirklich so, dass sich Cecosesola politisch neutral verhält. Sie machen ihr Ding, so wie sie das schon seit 50 Jahren und auch in vergangenen Krisenzeiten getan haben. Sie beziehen nicht Stellung, sondern arbeiten an der Basis und vermeiden soweit möglich politische Diskurse. Das heißt aber nicht, dass nicht die eine oder der andere „privat“, also als Individuum natürlich Stellung bezieht und sich auf die Seite der Regierung oder eben der Opposition schlägt. Da muss man auch gar nicht streiten, denn Einigkeit herrscht ja darin, dass sich unbedingt etwas verändern muss in Venezuela, dass es so nicht weiter geht. Und dass das ein langwieriger Prozess sein wird, egal wie der politisch aussehen wird, darüber sind sich auch alle im Klaren. Bei allem bleibt aber der Schwerpunkt das Tätigsein hier bei/ in Cecosesola, das kontinuierliche Arbeiten an der Transformation, der eigenen und der der Gesellschaft. Alles andere ist Meinung. Oder im schlimmeren Fall Desinformation.